Eine traurige Nachricht schickte uns Kimberley Lockhard-Yashek aus den USA: Ihre Mutter Rosalye Yashek ist am 15. Juni 2024 im Alter von 95 Jahren verstorben.
Mit großer Dankbarkeit für ihre Freundschaft erinnern wir uns an die Begegnungen mit Rosalye.
Erstmals 1997 war sie mit ihrem Mann Richard J. Yashek der Einladung seiner einstigen Heimatstädte Lübeck und Bad Schwartau gefolgt. Ihr war es zu verdanken, dass er diese Reise überhaupt wagte und bereit war zu Begegnungen auch mit den früheren Spielgefährten, die sich von ihm und seinem jüngeren Bruder Jochen abgewandt hatten, als die NS-Politik jüdische Kinder immer stärker ausgrenzte.
Familie Jaschek hatte zunächst in Lübeck und später in Bad Schwartau ihr Zuhause. 1941 wurden Eugen und Lucy Jaschek mit ihren Söhnen Jürgen und Jochen deportiert ins besetzte Lettland. Nur Jürgen überlebte die Qualen in verschiedenen Konzentrationslagern und kam 1945 als 16 jähriger zunächst zurück nach Lübeck, wanderte dann aber in die USA aus.
1953 begegnete er seiner späteren Frau. Rosalye Duke Levine war am 26. September 1928 in New York geboren. In seinen Erinnerungen beschrieb Richard Yashek sein Erstaunen, dass sich diese Frau mit einem Hochschulabschluss, die als Bibliothekarin an der Montoursville Highschool tätig war, überhaupt für jemanden wie ihn interessieren könnte. Schließlich war seine formale Schulbildung nach sechs Jahren auf den jüdischen Volksschulen in Lübeck und Hamburg zwangsweise abgebrochen. Schlimmste Erfahrungen von Gewalt und Grausamkeit waren gefolgt. Nach dem Krieg hatte er eine handwerkliche Ausbildung absolviert und in den USA über verschiedene Bildungsangebote seinen beruflichen Weg gefunden.
Anfang 1954 nahm Rosalye seinen Heiratsantrag an, und am 14. November 1954 fand ihre Hochzeit in der Kesher Zion Synagoge in Reading / PA statt. Nach der Geburt der Töchter Linda und Kimberly war es Rosalye, die sich um die Kinder kümmerte, während Richard den Unterhalt der Familie verdiente. Später aber nahm sie ihre Arbeit als Bibliothekarin in der Highschool wieder auf.
Auf Drängen seiner Frau begann Richard nach langen Jahren weitestgehender Verdrängung aller traumatischen Erfahrungen in seiner Kindheit und Jugend, sich damit auseinanderzusetzen. 1991 besuchten sie zum ersten Mal die jährliche Zusammenkunft der Überlebenden des Rigaer Ghettos.
Dieser Kontakt machte es wiederum möglich, dass die Lehrerinnen der neu gegründeten Geschwister-Prenski-Schule Richard Yashek in den USA ausfindig machen konnten und er mit seiner Frau 1997 zum Besuch in Bad Schwartau und Lübeck kam.
Es folgten weitere Besuche. Im Mai 2000 hielt Richard J. Yashek an der Geschwister-Prenski-Schule die Abiturrede und wurde mit seiner Frau Rosalye und der Tochter Kimberly von der Stadt Bad Schwartau feierlich geehrt.
Im November 2004 gab es an den von Gunter Demnig verlegten Stolpersteinen für die Familie Jaschek in der Auguststraße ein bewegendes Gedenken. Unvergessen für alle Anwesenden bleibt der Anblick der kleinen zierlichen Frau, die ihrem Mann in seiner Trauer Halt zu geben versucht, als er sagt: „Hier ist der Ort, an dem ich um meine Eltern und meinen Bruder trauern kann.“
Unvergessen für alle Beteiligten bleibt auch die Rede Richard J. Yasheks am Abend des 9. November in der Lübecker Synagoge.
Nach Richards Tod 2005 blieb der Kontakt zu seiner Familie bestehen, und im Mai 2010 kam Rosalye Yashek mit ihrer Tochter Kim ein weiteres Mal nach Lübeck und Bad Schwartau, „ mit dem Gefühl, nach Hause zu kommen“.
Von hier aus reisten die beiden zusammen mit Heidemarie Kugler-Weiemann und Martin Harnisch weiter nach Riga, um dort die Orte aufzusuchen, die Stationen des Leidensweges der deportierten jüdischen Familien gewesen waren. Gleichzeitig aber war dieser Besuch für Rosalye eine Suche nach Spuren ihrer eigenen, aus Riga stammenden Großeltern.
Bei den Besuchen in Lübeck fand die Bibliothek der Geschwister-Prenski-Schule immer Rosalyes besonderes Interesse, und so war es auch ihr Anliegen, die Erinnerungsarbeit dieser Schule zu fördern, die sich 1994 nach in Riga ermordeten jüdischen Kindern aus Lübeck benannt hat.
Dank einer großzügigen Geldspende von Rosalye Yashek und ihrer Familie zum 25- jährigen Namensjubiläum der Schule können besondere Projekte, die sich mit der Shoah auseinandersetzen, mit dem YASHEK-Preis ausgezeichnet werden. Im Dezember 2022 machte sich Kim Yashek ein Bild von mehreren eindrucksvollen Kunst-, Literatur- und Theaterprojekten.
Daher werden wir im Sinne von Rosalye Yashek den Fond des YASHEK-Preises mit Spenden aufstocken, damit der Name dieser einstigen Lübecker und Bad Schwartauer Familie weiter im Bewusstsein bleibt. Wir freuen uns, wenn sich auch andere Menschen anschließen und mit einer Spende die Erinnerungsarbeit der Geschwister-Prenski-Schule, Gemeinschaftsschule in Lübeck unterstützen.
Im Namen des Freundeskreises der Familie Yashek:
Anne und Konrad Rahe, Klaus und Marie-Luise Nentwig,
Joachim Nolte und Marion Barsuhn, Sinem Löbe und
Heidemarie Kugler-Weiemann
Spendenkonto:
Schulverein der Geschwister-Prenski-Schule
Sparkasse zu Lübeck
IBAN: DE 41 230 501 01 000 99 10 647
Vermerk: Trauer um Rosalye Yashek / Spende für den YASHEK-Preis