Unser Schulname
Wie die Schule zu ihrem Namen kam und was er uns heute bedeutet
Im Jahr 1989 nahm die „Integrierte Gesamtschule Lübeck“ mit vier fünften Klassen ihre Unterrichtstätigkeit als erste Gesamtschule Lübecks auf. Wenige Jahre später wurden zwei weitere Gesamtschulen in der Stadt eingerichtet, sodass die Abkürzung IGL mit dem Symbol des Igels nicht mehr als Name ausreichte. Aber welchen Namen sollte die Schule künftig tragen? Neben den üblichen Vorschlägen von Namen berühmter Pädagoginnen, Politikerinnen, Schriftstellerinnen oder Wissenschaftlerinnen gewann eine Idee immer mehr Zuspruch: die Schule nach Kindern zu benennen, die in Lübeck gelebt hatten und ihr Leben aufgrund von Ausgrenzung und Verfolgung nicht so hatten leben können, wie man es allen Kindern auf der Welt wünscht.
Die Lehrerinnen Hildegard Lüder und Heidemarie Kugler-Weiemann griffen diese Idee auf und begaben sich 1993 mit Schülerinnen und Schülern des damals 7. und 8. Jahrgangs auf Spurensuche. Sie besuchten das Stadtarchiv, forschten in Akten und Adressbüchern und richteten dabei ihr Augenmerk auf die Anfang der 1930er Jahre in Lübeck lebenden jüdischen Familien. Bald kreisten die Nachforschungen um die Familie Prenski, über die sich nach und nach Dokumente, Fotos und Zeitzeugenberichte fanden, vor allem durch den Kontakt zu dem ehemaligen Lübecker Abraham Domb-Dotan. Als Dreizehnjähriger hatte er 1938 das Foto gemacht, auf dem die drei Prenski-Kinder zu sehen sind. Von ihm erfuhren die beiden Lehrerinnen bei einem Besuch in Israel auch, dass die älteste Schwester der Prenski-Kinder, Sophie, noch in Israel lebte.
Hier einige wichtige Daten über die Familie Prenski:
Die Eltern Elias und Sonja Prenski waren 1920/22 mit ihrer Tochter Sophie (geb.1918) aus dem polnischen Grajewo nach Lübeck gezogen. In Lübeck bekamen sie vier weitere Kinder, Max (geb. 1924), Alfred (1925-27), Martin (geb.1930) und Margot (geb.1931). Der Vater Elias Prenski starb bereits 1939,der ältesten Tochter Sophie gelang es 1940nach Palästina zu flüchten. Die Mutter wurde mit den drei jüngeren Kindern 1940 aus ihrem Haus in der Adlerstraße vertrieben und mit allen zu der Zeit noch in Lübeck lebenden jüdischen Familien am 6.12.1941 nach Riga deportiert. Dort sind die Kinder kurze Zeit später ermordet worden, die Mutter kam 1944im Konzentrationslager Stutthof bei Danzig ums Leben.
Die damalige Projektgruppe präsentierte die Ergebnisse ihrer Recherchen mit einer umfassenden Ausstellung im Januar 1994 der Öffentlichkeit. Daraufhin entschied sich die damalige Schulgemeinschaft, die Schule nach den drei Kindern Max, Martin und Margot zu benennen, stellvertretend für alle Kinder, denen die Chance genommen wurde, erwachsen und vielleicht berühmt zu werden. Die Anträge bei den zuständigen Gremien der Stadt und des Landes Schleswig-Holstein wurden Ende Februar 1994 positiv beschieden.
Kurz darauf gewann die Namensgebung ungewollt Brisanz, als am 26.3.1994ein Brandanschlag auf die Lübecker Synagoge verübt wurde. Dies ließ zwar einerseits Ängste aufkommen, bestärkte aber vor allem andererseits, nun erst recht an der Namensgebung festzuhalten, sich nicht einschüchtern zu lassen und Solidarität mit der jüdischen Gemeinde zu zeigen.
Was bedeutet uns der Schulname heute?
Die Geschwister Prenski waren die Kinder einer armen, aus Polen zugewanderten jüdischen Familie. Sie stehen damit stellvertretend für alle jüdischen Kinder, die während der NS-Zeit ausgegrenzt, verfolgt, gequält, deportiert und ermordet wurden.
Sie stehen auch stellvertretend für Kinder, die heute von Krieg und Gewalt bedroht sind, sowie alle diejenigen, die es nicht leicht haben im Leben und besondere Herausforderungen bewältigen müssen.
In Erinnerung an die Geschwister Prenski wollen wir auch heute mit dem Schulnamen Zeichen setzen gegen Ausgrenzung in jeder Form, gegen Antisemitismus und Rassismus. Diese Haltung bestimmt ganz wesentlich unseren schulischen Alltag, indem wir Gewalt konsequent ablehnen und uns aktiv für ein besseres soziales Miteinander einsetzen.
25. Namensjubiläum der Geschwister-Prenski-Schule

Hier findest du die Rede von Kim Yashek zum 25-jährigen Namensjubiläum der Geschwister-Prenski-Schule:
„Das war eine Vorhabenwoche, die für mich nie endete.“
Warum haben wir uns für den Namen Geschwister-Prenski-Schule entschieden? Um mehr über unseren Schulnamen zu erfahren, interviewten wir, Deianira aus der 5a und Luna aus der 9c, im Rahmen des 25. Namensjubiläums zwei ehemalige Lehrerinnen unserer Schule.
Hildegard Lüder und Heidemarie Kugler-Weihemann erinnerten sich, dass unsere Schulgemeinschaft um das Jahr 1993 einen neuen Namen suchte. Die Idee für den Namen entstand Hildegard zufolge in einer Vorhabenwoche, in der Schüler/innen der Klassenstufen 5 bis 7 zum Thema „Ausgrenzung“ arbeiteten. Sie setzten sich zum Ziel mit dem Namen an verstorbene jüdische Menschen zu erinnern.
Heidemarie und Hildegard suchten gemeinsam mit den Kindern im Lübecker Archiv nach Informationen zu verstorbenen Juden aus Lübeck. Dort stießen sie auf ein Klassenfoto der drei Geschwister Prenski. Durch eine Zeitungsanzeige fanden sie den Fotografen dieses Klassenfotos, durch den sie erfuhren, dass es noch ein weiteres Geschwisterkind gab. Diese Schwester namens Sophie Prenski lebte inzwischen in Israel, so erfuhren sie. Sie fanden heraus, wo die Familie damals gelebt hatte, nämlich in der Adlerstraße, und durften gemeinsam mit einigen Schülern und Schülerinnen spontan auch einen Blick in die alte Wohnung der Familie Prenski werfen.
Hildegard und Heidemarie lies das Thema auch nach der Vorhabenwoche nicht los. Sie beschäftigten sich weiter mit der Familie und ihrer Geschichte und fanden viele Details zu ihrem Leben und Tod heraus.
Es war ihnen sehr wichtig zumindest einmal mit der Schwester zu sprechen. Beide reisten nach Israel. Leider kam es nie dazu, dass sie Sophie Prenski persönlich treffen konnten, aber es fand zumindest ein Telefonat statt.
Zurück in Lübeck fiel die Entscheidung: Unsere Schule sollte den Namen Geschwister-Prenski-Schule erhalten. Die damaligen Schülerinnen und Schüler fanden den Namen erstmal merkwürdig, weil er sehr ungewöhnlich für eine Schule war. Aber je länger sie sich mit der Geschichte der drei Geschwister beschäftigten, desto mehr verstanden sie, warum dieser Name zu unserer Schule und unseren Werten passte und wieso es so wichtig war, die ermordeten Juden zu erinnern. Heidemarie erschien ein kleines Lächeln auf dem Gesicht, als ihr wieder einfiel, dass ein Junge anschließend eine Geschichte über einen Igel schrieb, der von ermordeten Juden erfuhr und es ihm so leid tat, dass er sich schließlich „Prenski“ nannte. Diese Geschichte hängt immer noch gegenüber des Sekretariats in unserem Schulflur. Dort ist auch die Namensgebung in Bildern und Worten dokumentiert.
Am Ende unseres Interviews wünschten sich Heidemarie und Hildegard, dass das Leben jüdischer Menschen an unserer Schule wieder präsenter wird und wir weiterhin stark gegen Ausgrenzung vorgehen. Als sie erzählten, dass Sophie Prenski genau einen Tag nach der Namensgebung der Schule verstorben sei, wurde es sehr ruhig in der Mensa. Es war, als hätte Sophie erst richtig Ruhe gefunden, als sie wusste, dass ihre Geschwister nicht vergessen werden würden.